13. September 2010

Wieder ein Klientel befriedigt

Posted in kommentar, Neue, Politik, Uncategorized, Wandel tagged , , , , um 16:15 von thomassalomo


Wieder ein Klientel befriedigt

(vom Thomas Salomo)

Anfang September trat Kanzlerin Merkel an die Presse, um ihr Energiekonzept für die nächsten Jahre vorzustellen. Nach den letzten mageren Monaten, die mehr schlecht als recht für die Schwarz-gelbe Koalition waren, sollte es der große Befreiungsschlag werden, der große Wurf. Seit gut einem Jahr sind die Umfragewerte der Kanzlerin und Ihrer Minister samt Regierung auf Talfahrt. Das Energiekonzept und die Laufzeitverlängerung der 17 Atomkraftwerke in Deutschland sollte den Umfrage-Abwärtstrend stoppen und das Image verbessern.


Monatelang spekulierte Deutschland, wie wohl das neue Energiekonzept der Kanzlerin aussehe. Zwei Seiten musste Merkel bedienen: die Betreiber der Atomreaktoren und die Betreiber der regenerativen Energien. Diese, die sich seit deren Einführung unter Rot-Grün zu einem der Stärksten wachsenden Märkte entwickelt haben. Ökostrom ist schon lang kein Nischenprodukt mehr, deren Umsätze steigen von Jahr zu Jahr. So etwa gehören Hersteller von Windkraftanlagen zur Stromerzeugung in Sachsen und Sachsen-Anhalt mancher Orts zu den größten Arbeitgebern. Windkraftanlagen, und Photovoltaik zählen mittlerweile zu den Boomzweigen deutscher Industrie.
Doch die Gefahr, dass die Ökostromproduzenten zunehmend die Atomkraftwerke in den Schatten stellen und sie überflüssig machen, bestand nie. Die Kanzlerin, die sich noch vor Jahren als Klimaretterin feiern lies und nicht müde wurde die Vorzüge regenerativer Energie pries und für sie weltweit warb, verlor die Atomindustrie nie aus den Blick. Unverzichtbar, eine Brückentechnologie nannte Merkel die Atomkraft, wichtig für den Standort Deutschland.

Den Atomausstieg, also das Ende der Atomkraftwerke in Deutschland, wollte die Schwarz-Gelbe Koalition rückgängig machen, das ist im Koalitionsvertrag eine der zentralen Punkte des Bündnisses. Notwendig sei Brückentechnologie zur Erhöhung des Anteiles der regenerativen Energien. Schon seit Monaten werben die Betreiber der Atomkraftwerke für eine Laufzeitverlängerung. Diese sei notwendig, um die Ziele des Klimaschutzes zu halten. Das heißt weniger Kohlendioxidausstoß, weniger Klimaerwärmung. Der Strompreis an der Börse könnte sinken, oder zumindest stabil bleiben. Atomstrom sei eine günstige und billige Stromversorgung. Warum trotzdem die Strompreise für den Endverbraucher seit Jahren steigen, lassen die Konzernchefs offen. Eine Laufzeitverlängerung von mindestens 20 Jahren stelle man sich vor, sei notwendig um die Klimaziele und den Ausbau der regenerativen Energien voran zu bringen. Doch das Bundesamt für Strahlenschutz und Reaktorsicherheit und deren Chef Bundesumweltminister Röttgen sahen das anders. Eine freie Langzeitverlängerung für die AKW’S sei inakzeptabel. Die Sicherheit der Anlagen entspreche nicht überall den neusten Vorschriften, etwa bei Terroranschlägen. Die Anlagen müssten auf jeden Fall nachgerüstet werden. Um die Klimaziele zu erreichen, etwa den CO²-Ausstoß zu verringern, bedarf nur einer „moderaten“ Verlängerung von ein paar Jahren.


Der Streit um die Verlängerung verschärft sich, als die Koalition ankündigte, eine Brennelementesteuer einzuführen, um den Ausbau der regenerativen Energien zu fördern. Der Aufschrei der Atomindustrie folgte prompt; man sei gegen solch eine Zusatzbelastung. Dies gefährde nicht nur Arbeitsplätze sondern mache den Atomstrom zunehmend unattraktiv und teuer, dies könne sich dann nicht mehr lohnen. Die großen Betreiber der AKW’s drohten mit der völligen Abschaltung der Atommeiler. Als dann die CDU/CSU den Vorschlag einer Zusatzabgabe zusätzlich zur Brennelementesteuer einbrachte, schien der Streit vollends zu eskalieren.

Der Showdown kam dann Mitte August, in einer ganzseitigen Anzeige in fast allen großen Tageszeitungen in Deutschland forderten die vier großen Stromkonzerne RWE, EON, Vattenfall und EnBW unter dem Motto „Mut und Realismus für Deutschlands Energiezukunft“ eine Laufzeitverlängerung über 2020 hinaus. Eine kürzere Verlängerung könnte massiv Kapital vernichten. Dadurch schade man der Umwelt und den Menschen in unserem Land. Die Anzeige war der Versuch, den Eindruck entstehen zu lassen, dass ohne die längere Laufzeit der Atomreaktoren auch kein Ausbau der regenerativen Energien möglich seien.
Abseits von Medien und Öffentlichkeit stieg das Engagement der Atomlobbyisten in Berlin.

In einem Gutachten zur Laufzeitverlängerung, das die Regierung veröffentlichte, schwebte der Vorwurf, dass es von der RWE und EON co-finanziert sei. Schon zwei Tage nach der Vorstellung des Gutachtens vermied man in Berlin tunlichst, darüber zu reden.

Mit der Vorstellung des Energiekonzepts der Kanzlerin zeichnete sich deutlich der Einfluss der Lobbyisten ab.

Die Laufzeiten der AKW’S sollen zwischen 8 und 14 Jahren verlängert werden. So sollen die Betreiber mindestens 50% ihrer Zusatzeinnahmen an den Staat abführen, in einen Öko-Energiefond. Doch die Zusatzsteuer ist bis 2016 begrenzt. Der Umweltminister und die Kanzlerin feierten ihren Kompromiss als gelungen und zukunftsweisend. Wenige Tage nach dem vermeintlichen Triumph der Koalition wurde die vertragliche Vereinbarung, der „Geheimvertrag“ bekannt. Dessen Inhalt zeigt nicht nur deutlich die Handschrift der Lobbyisten, ferner sichert der Vertrag den Reaktorbetreibern zusätzliche Milliarden Gewinne zu. Spricht die Regierung von Vereinbarung mit den Betreibern, liest sich der Vertrag eher wie ein „Schutzvertrag“.

So sollen etwa die Kosten der Nachrüstung der Atomkraftwerke gedeckelt werden.
Müssen sie mehr als 500 Millionen Euro pro AKW für die Nachrüstung ausgeben, brauchen sie weniger in den Öko-Energiefonds einzuzahlen.
Die nötigen Umbauten können auch über einem längeren Zeitraum gestaffelt werden. Im Vertrag heißt das: mittel- bis längerfristiger Zeitraum für Nachrüstungen. Konkret bedeutet das, die AKW-Betreiber können sich Zeit lassen bei der Verbesserung der Sicherheit ihrer Atomreaktoren.
Sollte die bis 2016 befristete Zusatzsteuer erhöht oder verlängert werden, müssen die Konzerne ebenfalls weniger zahlen. Damit soll verhindert werden dass es im Falle eines Regierungswechsels zu gravierenden Änderungen kommt.
Auch bei der Steuerzahlung wurden die Konzerne „entlastet“ so können sie zukünftig die Körperschaftsteuer als Aufwand geltend machen. Die Folge: weniger Steuern für die Länder und Kommunen.

Sollte das neue Energiekonzept der Kanzlerin so beschlossen werden, ist dies ein großartiger Sieg für die Lobbyisten und die großen Energiekonzerne. Zwar konnten sie keine höheren Laufzeiten wie zuvor gewünscht durchsetzen, haben sie aber umfangreiche „Schutzklauseln“ gesichert. Letztendlich zeigt sich in aller Deutlichkeit, wie wichtig der Kanzlerin die Atomwirtschaft ist, dass sie zu solchen umfangreichen Entgegenkommen bereit ist. Das Ergebnis ist kein Kompromiss vielmehr ein Kniefall vor der Industrie und deren Lobbyisten oder kurz gesagt wieder ein Klientel befriedigt. Mit diesem Energiekonzept hat die Kanzlerin nicht den Ausbau erneuerbaren Energien gestärkt oder weiter gefördert, vielmehr hat sie den Ausstieg der Atomindustrie aus der Stromerzeugung versüßt.



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