6. September 2012

Piraten keine einfache Partei

Posted in kommentar, Politik, Wandel tagged , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , um 11:04 von thomassalomo


Piraten keine einfache Partei

Von Thomas Salomo

Als vor knapp zwei Jahren die Piraten in die Öffentlichkeit traten waren sie politische Exoten mit scheinbar sonderbaren Ansichten und Forderungen, sie waren, wie früher die Grünen, bunt, unkonventionell und passten in keine der üblichen politischen Schubladen. Laut dem Politologen Oskar Niedermayer versteht sich die Partei als Teil einer internationalen Bewegung zur Mitgestaltung der Informationsgesellschaft. Sie gelten als „die Internet Partei“, gut vernetzt und für alle offen. Das heißt jeder kann mitreden jeder kann sich einbringen. Es gibt kaum Hierarchien, jeder kann sich für jeden Posten bewerben. Ihre Forderung klingen simpel und einfach, u.a. freies Internet, offene Verwaltung, Legalisierung von Drogen. Hatten doch die Piraten einen neuen Ansatz für sich entdeckt, Bürger mehr in Politik einbinden, die Menschen aktiv mitgestalten lassen. Jeder soll sich einmischen können, jeder soll die Chance haben sich zu äußern.

Gegründet wurde die Piraten Partei ursprünglich in Schweden, ihr Klientel waren Internetnutzer und insbesondere Nutzer von P2P-Börsen (online Tauschbörsen) als diese zunehmend in Bedrängnis gerieten und Gesetze zum Schutz von Urheberrechten beschlossen werden sollten formierte sich Widerstand im Internet deren politisches Sprachrohr die Piraten wurden. Nach dem sie ins Schwedische Parlament einzogen wurden sie europaweit bekannt. Kurz darauf gründete sich die Piraten Partei in Deutschland. Schon die Gründung der Piraten in Deutschland war schwierig. Mussten doch Fragen geklärt werden; wer hat wie viel zu sagen? Wer darf was festlegen? Braucht man eine Parteispitze? Wenn ja, was darf sie? Was darf sie nicht? Durch die grenzenlose Mitbestimmung im Internet, in der jeder überall mitreden kann, kommt es regelmäßig zu sogenannten „Shit-Storms“ auf Deutsch: Empörungen. So könnten schon scheinbar harmlose Äußerungen ein Sturm der Entrüstung auslösen. Je höher man innerhalb der Piraten Partei aufsteigt egal ob auf Landes oder Bundes jede dünner wird der Grad auf dem man sich bewegt, je öfter wird jedes Wort und jede Äußerung auf die „Goldwaage“ gelegt. Insider sprechen bei viel diskutierten Themen von regelrechten Spießrutenläufen. Die Piraten nennen das „Ein Liquid-Feedback“ Basisdemokratie, jede kann sich überall mit seinen Ideen und Anregungen einbringen. Somit ist es schwierig die tausenden von Meinungen unter einen Hut zu bringen Erstrecht ein kompaktes Programm zu verfassen.

Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bernd_Schl%C3%B6mer,_Bundesvorsitzender_der_Piratenpartei_Deutschland_auf_dem_Bundesparteitag_BPT_2012.1_in_Neum%C3%BCnster.jpg

Bernd Schlömer, Bundesvorsitzender Piratenpartei Deutschland

Auch Parteitage sind ein schwieriges Thema bei den Piraten. Anders als in anderen Parteien, gibt es bei den Piraten keine Delegierten, das heißt jedes Mitglied kann kommen. Aktuell haben die Piraten 35.000 Mitglieder. So weiß man nie, wie viele wirklich kommen. Auch der Ablauf eines Parteitages ist selten vorhersehbar. Zwar beschließt man eine Tagesordnung, doch ob man alle Punkte schafft, ist oft ungewiss. Selbst das Beschließen von Wahllisten für Landtagswahlen ist schwierig. So brauchten die Piraten in Niedersachsen drei Parteitage um eine Landesliste zu wählen.

Doch von grundsätzlichen Fehler will der Bundesvorsitzender der Piraten Bernd Schlömer nichts wissen: „Man muss Erfahrungen sammeln mit neuen Situationen“, sagte er im Interview mit Zeit-online.

Offen für alles und jeden

In kaum einer Partei ist die unterschiedliche Meinungsvielfalt so groß, wie bei den Piraten. Neben Kontroversen über rechte uns sexistische Äußerungen sorgte ein Flyer Pro Atom von Piraten aus NRW für viel Wirbel. Als die Gruppe die sich „AG Nuklearia“ nennt einen Flyer der sich für die friedliche Nutzung von Atomenergie ausspricht erstellte, sorgte das nicht nur an der Basis für Verwirrung auch die Parteispitze war irritiert. Hatte man doch auf dem Parteitag 2010 ein Positionspapier, das den Atomausstieg befürwortet beschlossen. Auch als der „Shit- Storm“ über die Urheber hereinbrach zog man den Flyer nicht zurück. Selbst als der Bundesvorstand die Gruppe aufforderte das Papier zurück zuziehen und nichts geschah, sah sich der Parteivorsitzende genötigt eine Abmahnung per Rundmail zu verschicken. Das wiederum wieder zu Protesten führte. Der Bundesvorstand zog die Abmahnung zurück. Man müsse erste einmal klären, wer sich wie positionieren darf. Doch genau da liegt das Problem der Piraten. Wer darf wann und wozu etwas sagen? Wer hat etwas zu sagen? Gibt es doch in anderen Parteien klare Strukturen, so fehlen diese bei den Piraten.

So kommt es nicht von ungefähr das regelmäßig Führungsfiguren der Piraten ihre Ämter entweder entnervt oder frustriert aufgeben. Das prominenteste Beispiel dafür war Marina Weisband. Lange galt sie als Hoffnungsträgerin der Piraten, Jung, dynamisch, das fast perfekte Aushängeschild.

 Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Marina_Piraten_06a.jpg

Marina Weisband

Die 25 jährige Studentin gab das perfekte Bild einer jungen Partei ab. Doch die immer größer werdende Anhängerschaft und die bis dahin immer mehr steigende Beliebtheit forderten ihren Tribut. Im März 2012 kelterte die Partei sogar auf 11% in der Sonntagsfrage, das wurde dann selbst der Parteispitze zu unheimlich und man bemühte sich um Bescheidenheit. Doch der Druck der auf der Weißband lag war enorm. Mehrere „Shit-Storms“ und Anfeindung musste sie über sich ergehen lassen. Auch mit der Kommunikation untereinander schien es nicht immer zum Besten zu sein. Im Zeit online Interview sagte sie: „Das größere Problem ist generell der Umgangston teilweise sind das abfällige Chat-Bemerkungen, die man für normal hält, die aber sexistisch sind“, sagte Weisband im Zeit-Online Interview. Auch der Medienhype hinterließ Spuren, ständig Interviews und Auftritte in Talkshows. In einer erlitt sie ein Schwächeanfall. Aufgrund persönlicher Gründe legte sie dann ihr Amt nieder. Seit Mai haben die Piraten eine neue Parteispitze, ihr Vorsitzender Bernd Schlömer, 41 Jahre alt von Beruf Regierungsbeamter im Verteidigungsministerium.

Dass die Partei interne Querelen nicht unbemerkt blieben, zeigt in den regelmäßigen Wählerumfragen. Von den einstigen 11% kommen die Piraten aktuell gerade mal auf 6% (ZDF- Politbarometer August 2012), ob die Piraten es 2013 in den Bundestag schaffen, ist ungewiss. Der Ansatz der Piraten, die Bürger aktiv in den politischen Prozess ein zu binden ist prinzipiell gut, auch wenn dieser Ansatz nicht neu ist. Schon die Grünen versuchten sich darin sind aber bisher wenig erfolgreich. Doch genau darin liegt die große Chance der Piraten.

Doch um weiterhin erfolgreich zu sein, müssen sie nach außen und innen klare Strukturen entwickeln.

Auch die Themenvielfalt muss größer werden, wenn man zukünftig auf breiter Basis aufgestellt sein will, reine Internet Themen reichen da nicht. Das Potenzial der Piraten ist da, sie müssen sie nur nutzen.

 

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